Das Start-Chancen-Programm ist das bisher größte Bildungsprogramm in der Geschichte Deutschlands. Mit einem Budget von 20 Milliarden Euro, finanziert zu gleichen Teilen von Bund und Ländern, sollen in den kommenden zehn Jahren Schulen unterstützt werden, die besondere Herausforderungen zu bewältigen haben. Das Ziel ist ehrgeizig: Bis zum Auslaufen des Programms soll die Zahl der Schüler, die in Deutsch und Mathe die Mindeststandards verfehlen, an den teilnehmenden Schulen halbiert werden.
Doch ein halbes Jahr nach dem offiziellen Start des Programms zeigt sich: In den meisten Schulen ist bislang nichts davon angekommen. Viele Schulleiter berichten von fehlenden Informationen, bürokratischen Hürden und Unklarheiten bei der Mittelverwendung. Die Länder und Kommunen scheinen mit der Umsetzung des komplexen Programms überfordert. In den meisten Bundesländern wurde noch kein einziger Cent an die Schulen ausgezahlt.
Lediglich in Bremen und Hessen konnten erste Maßnahmen umgesetzt werden, wie die Einstellung von zusätzlichem Personal oder der Kauf von Lernprogrammen. Doch auch dort beklagen die Schulleiter, dass dies angesichts des enormen Bedarfs nur ein Tropfen auf den heißen Stein sei. Dringend benötigte räumliche Erweiterungen lassen auf sich warten, da unklar ist, wie viel Geld dafür zur Verfügung steht.
Das Start-Chancen-Programm droht zu einem Fehlstart zu werden. Angesichts der alarmierenden Ergebnisse der jüngsten Bildungsstudien ist dies fatal. Deutschland kann es sich nicht leisten, wertvolle Zeit zu verlieren, um die Bildungschancen benachteiligter Kinder zu verbessern. Der Bund und die Länder müssen dringend nachbessern und den Schulen unbürokratisch die benötigten Mittel zur Verfügung stellen.
Auch wenn die Umsetzung eines solch umfangreichen Programms eine große Herausforderung darstellt, darf dies nicht zu Lasten der Schüler gehen. Mit Blick auf die Zukunft unseres Landes und den drohenden Fachkräftemangel muss die Bildung oberste Priorität haben. Jedes Kind hat das Recht auf bestmögliche Förderung und faire Aufstiegschancen, unabhängig von seiner Herkunft.
Dies gilt umso mehr, da die Corona-Pandemie bestehende Bildungsungleichheiten noch verschärft hat. Gerade jetzt wären Investitionen in individuelle Förderung, kleinere Klassen und multiprofessionelle Teams an den Schulen wichtiger denn je. Digitale Lernhilfen können den Präsenzunterricht sinnvoll ergänzen und allen Schülern die bestmöglichen Chancen bieten.
Doch statt zukunftsweisender Lösungen herrscht Stillstand. Es ist zu hoffen, dass der Rücktritt von Bildungsministerin Stark-Watzinger und die anstehende Neubesetzung des Postens neuen Schwung in die Sache bringen. Das Start-Chancen-Programm muss jetzt zügig und unbürokratisch umgesetzt werden. Unsere Kinder haben keine Zeit zu verlieren.